Die ersten Schritte

 

Liebe Freunde,

(Daniel schreibt)


einer meiner Lieblingssätze im Geschäft lautet: „Don't shoot for the middle!".

Und ich bin auch überzeugt, wir hätten in Maisprach eine riesige Wildschweinplage, wenn unsere Jäger im Dorf immer irgendwo in die Mitte zielen würden, anstatt genau das anzuvisieren, was sie eigentlich auch erlegen möchten.


Sorry - und was hat das nun genau mit Tokyo zu tun?


Wie ihr ja alle wisst, wäre Monika liebend gerne für ein bis zwei Jahre nach London,

evtl. nach NY, aber sicherlich nicht gerade nach Tokyo gegangen.

Aber ich glaube es kristallisiert sich was heraus: Tokyo ist für uns der Volltreffer.

Nun schreibe ja aber auch ich das und nicht sie. Also setzt Euch doch ans Telefon und fragt sie selbst: Wir haben nämlich eine Schweizer Telefonnummer (via Internet) hier in Tokyo installiert:


044 553 29 87


Zu den Kosten: es ist genau so teuer, wie wenn ihr eine andere 044-er Nummer in der Schweiz anrufen würdet. Also für die Schweizer unter Euch ein Landesgespräch und für unsere Freunde aus Deutschland, Österreich und dem Rest der Welt ist es genau so teuer, wie wenn ihr uns in Maisprach anrufen würdet. (Auch die Vorwahl +41 benützen! Also +41 44 553 29 87) Nur eines bitte: wir sind trotz allem noch auf der anderen Seite der Welt. So ab 14 Uhr MEZ schlafen wir bereits J


Zu unseren bisherigen Erlebnissen:


Japan ist einfach wunderbar, im wahrsten Sinne des Wortes.


Wir verstehen die Japaner nicht, können nichts lesen und wissen oft auch nicht, was wir essen. Das Resultat hieraus sind die vielfältigsten Geschichten.

Wenn man sich nicht versteht, muss man es halt anderweitig versuchen und das hat cshon in den wenigen Tagen hier zu den interessantesten Begegnungen geführt!

Wir merken hier, dass es auch gar nicht so wichtig ist, alles zu verstehen. Es ist irgendwie auch mal beruhigend, vieles einfach nicht zu wissen.


Beim Essen: was hilft es, den Fisch zu kennen (ob Fisch oder nicht, geht ja manchmal noch knapp) oder zu wissen, was für ein Gemüse es ist? Hauptsache doch man hat es gerne!

Noch heute lachen wir über unsere Erfahrung, als wir zum ersten Mal in Kyoto waren (im 2005) und "Japanese Mountains" gegessen haben (übrigens es hat noch Berge hier, wir haben sie nicht alle aufgegessen!) oder als uns jemand sagen wollte, dass wir wohl gerade Fisch Innereien essen würden - ich möchte heute noch lieber, dass ich das nie erfahren hätte J!


Was man nicht weiss, macht die Welt wieder klein und dadurch auch (für uns) verständlich.


Wenn wir zum Lunch ausgehen (machen wir zur Zeit fast jeden Tag) gibt's in fast allen Restaurants 3 Menüs zur Auswahl, so zwischen Y 800, Y 1’000 und Y 1’200 (sFr. 8.-/12.-) und das Einzige, das wir auf der Menukarte lesen können, ist der Preis. Einfach, nicht?

Wir nehmen meistens das für 8.- und das für 12.- und die Überraschung ist komplett!!


Also, das "Nicht-Verstehen" hat für uns sogar etwas Beruhigendes und sicher auch belustigendes, wir lachen viel - über uns!!!

Siehe z. Bsp. Monika am Flohmarkt in Verhandlung mit einem Japaner.

Das Resultat sind übrigens die 2 Koikarpfen aus Messing, die jetzt bei uns stehen.


Meine Kochkünste sind noch nicht für Besucher zugelassen. Es gibt jeden Abend eine Vorspeise und eine Hauptspeise, eine davon muss japanisch sein, die andere darf (muss aber nicht) europäisch sein. Es gibt hier ja alles zu kaufen, nur Käse ist überteuert, der Rest ist preislich wie etwa in der Schweiz oder sogar etwas günstiger.


Wer alles isst, erlebt hier jeden Tag Neues! Oder anders herum gesagt:


Wenn die Welt eine Küche ist, so stehen die Kochtöpfe in Tokyo!  - es ist richtig phantastisch!!


Die Sake-Flasche steht immer auf dem Tisch... aber öfters gibt's Whisky aus den Sakegläsern als Sake selber (wobei „Sake“ ja übersetzt einfach „Alkohol“ heisst J).

Der Japanische Whisky ist sehr, sehr gut und per Zufall hat die "Malt-Whisky-Society", bei der ich ja in der Schweiz seit 2001 Mitglied bin, genau per 1. Februar 2008 hier in Tokyo ihre eigene Bar eröffnet – Nein, nein ich bin nicht der Barinhaber! (...und leider haben wir’s auch noch nicht bis dahin geschafft....)


Zurzeit wohnen wir noch in einem „Serviced Appartement“ mit 55m2 – klein aber fein - umringt von 12 Schachteln Airfracht und dürfen am 29. Februar in unsere definitive Bleibe umziehen.

Hoffentlich haben wir bis dahin unseren Container, sonst gibt's für die nächsten Tage als Bett nur die Luftmatratze und die 2 Schlafsäcke, die wir zum Glück in die Airfracht eingepackt haben!! – romantik pur! J


Wir haben übrigens unseren Wunschtower bekommen (remember: don't shoot for the middle). Wir hatten einfach riesiges Glück! In unserem "1.Wahl Tower" war etwas zur Besichtigung frei, als wir ankamen. Doch waren wir über diese Wohnung sehr enttäuscht, denn in ca. 50m Entfernung wurde die Sicht aus dem Wohnzimmer brutal vom nächsten Tower abgefangen. Etwas fassungslos sagten wir: „nein danke, das ist es leider nicht, was wir uns erträumt hatten". Worauf der Makler sagte, dass sie wohl im obersten Stockwerk noch etwas frei hätten, doch das würden sie zurzeit nicht vermieten. Auf meine Frage (das war natürlich alles auf englisch – nicht japanisch!) wann das "zur Zeit" denn wohl abgelaufen sei, meinte er, es müsse noch eine Lärmquelle vom Lift behoben werden, und das könne dauern und dauern und dauern, denn es „dauerte“ schon seit letzten August......


Meine Einkäufer-Ohren zuckten.....das muss klar evaluiert werden! 

Drei Tage später war die Wohnung uns! Preislich etwas reduziert, wegen der Lärmquelle, welche wir jedoch trotz mehrfachen Besuchen nicht eruieren konnten und mit ihrem Versprechen, dass diese (von uns nicht hörbare) Lärmquelle bis zu unserem Einzug behoben sei.....tja, was will man denn mehr und der Verlust von vielen Mio. Yen seit August ist für die Maklerfirma nun beendet und 2 Schweizer sind happy: eine reine Win-Win Situation!


Nun haben wir 160m2 im obersten Stock eines 25-stöckigen Hauses (ja, mir wird ganz schlecht bei dem Gedanken wegen meiner Höhenangst, aber Übung macht den Meister) und allen Japanern wird auch ganz schlecht, weil man einfach nicht 160m2 in Tokyo hat.


Aber schliesslich haben wir sie ja der Aussicht wegen genommen, das entschuldigt doch wieder die m2 Zahl, denken wir J J J.

Zu meiner Arbeit hier kann ich nicht allzu viel erzählen – Bankgeheimnis Jund abgesehen davon, ist Arbeit auch in Asien mit Arbeit im Westen zu vergleichen; wenn auch einfach alles etwas komplizierter ist.


Mein Arbeitsplatz im 26. Stock hat noch keine Aussicht, wird sich dann aber mal ändern. Zurzeit sitze ich nicht am Fenster und dafür hat man sich bei mir in der ersten Woche auch schon ausführlich entschuldigt. Mein Spruch " I didn't come for a window-place" hat man mir mit nachsichtigem Lächeln quittiert, ein Fensterplatz steht mir mit meinem Rang zu, ob ich das als Westler nun will oder nicht.


Man darf sich auch hier natürlich nicht aussuchen, wo man sitzen möchte. Personen mit dem niedrigsten Rang sitzen immer direkt an der Türe. Dieser Brauch geht irgendwie bis ins Mittelalter zurück. Wenn ein Ninja-Krieger mit dem Schwert wild um sich schlagend hereinstürmte, traf es dann in der Regel halt eben die Personen mit dem niedrigsten Range zuerst, die notabene auch am entbehrlichsten sind. Sich so zu opfern, gehört sich auch für jeden loyalen Angestellten - ich lerne! Da die Gefahr eines eindringenden Ninja-Kriegers eher kleiner geworden ist, die Gefahr eines Erdbebens aber doch erheblich grösser ist, empfinde ich den Platz möglichst weit weg von berstenden Scheiben eher als beruhigend.


Aber das gilt hier eben nicht!

Ich werde also bald einmal umziehen müssen, damit mich die Ninjas hier nicht finden. Ich versuche nun (ich habe zurzeit nur eine einzige Mitarbeiterin hier) wenigstens ihr in Meetings zu zeigen, dass ein Eidgenosse keine Furcht kennt und mit dem Rücken sogar zur Türe sitzen kann! (...dann kann ich auch die beim Erdbeben eventuell berstenden Fenster besser sehen....J). Ich hoffe jedoch inbrünstig, weder das eine noch das andere Schicksal hier erfahren zu müssen.


Also, bis zum heutigen Tag ist alles wirklich wunderbar - das alleine ist also noch keine Veränderung für uns, wir hatten es ja auch zuvor perfekt - aber es zeigt uns wieder einmal, dass es einem sehr gut gehen kann an einem total fremden Ort.


Allein, es zählen Wille, Lust und Freude und ... man darf sich selbst nicht allzu ernst nehmen.


Ob wir nun von unserem kleinen, möblierten Appartement in eine grosse, leere Wohnung nur mit Luftmatratze und Schlafsäcke bewaffnet einziehen werden oder ob es das Schiff mit unseren Möbeln noch rechtzeitig schaffen wird,  werdet Ihr im nächsten Bericht von uns lesen - dann heisst's Sacura onegeishimas, zur Kirschblütenzeit bitte!


Hier ein Vorgeschmack der momentan blühenden Pflaumbäume

Seit auf’s herzlichste gegrüsst aus dem Land der aufgehenden Sonne


Daniel & Monika


 

P.S. Auch auf so was trifft man hier auf einem Spaziergang mitten in der Stadt!