Heisser Kaffee

Liebe Freunde,

 

Monika meinte, es sei wieder einmal an der Zeit etwas zu schreiben – und Recht hat sie! Wir haben in der Zwischenzeit sicher wieder Einiges erlebt - mal sehen was mir dazu so einfällt....

 

Seit wir in Tokio gelandet sind, haben wir ja wirklich bereits viel Besuch im „chez Hagi“ gehabt. Jeder dieser Besuche war anders und keiner war mit einem anderen aufzuwiegen. Wir genossen jeden Einzelnen von ganzem Herzen! In den ersten 6 Monaten waren bereits 17 Personen bei uns auf Besuch (weitere 8 Personen sind bereits bis Ende Jahr in unserer Agenda vermerkt) und bald lasse ich unsere Besucher nicht nur das Gästebuch ausfüllen, sondern sie können auch noch gleich einen neuen Bericht für mich an Euch verfassen - outsourcen heisst das ja heute und ist schicklich modern.....

 

Apropos Modern: da muss ich aufpassen, ich bin älter geworden....

Monika wollte meinen diesjährigen Geburtstag wieder mal im Lande der Amis feiern (in Erinnerung an unsere Weltreise im 2004) und so sind wir im Juni Richtung "Northern Marina Islands" nach Saipan für eine Woche ausgeflogen.

Sie lockte mit einer Woche Baden, Schnorcheln und Tauchen und einen Tag lang (meinem Geburri) mit einem schnittigen Mustang Cabriolet die Insel zu erkundigen - was will Man(n) mehr? Saipan ist von hier aus in gut 3 Stunden zu erreichen und das Tollste an allem: Monika hat Wort gehalten...Wir waren Tauchen, Schnorcheln und Cabriofahren...J

Aber eigentlich wollte ich ja was zum Thema „älter werden“ erzählen: Ihr glaubt es nämlich nicht, es hat auch Vorteile! Kaum zurück von unserem Urlaub unter Palmen und Flamming-Trees (siehe Bilder) (bitte, bitte keine Neider!), nahm ich sachte mein allmorgendliches Ritual wieder auf: eine halbe Stunde lang Joggen mit Monika im Fitnessraum, der auf dem gleichen Stock, wie unsere Wohnung liegt, und mir somit das Treppenlaufen erspart.....

Ich tippe wie immer auf dem kleinen Computer meine 30 Minuten ein, mein immer während gleiches Gewicht und ...mein neues Alter! Und der Computer gibt zur Antwort, dass von mir ab sofort 1 Herzschlag/Minute weniger abverlangt wird, um dem „Fatburning-Effekt“ möglichst nahe zu kommen! Bingo! Ansicht ist Einstellungssache und die Reduzierung des zuvor Abverlangten hat mir Flügel verliehen und das Rennen fällt mir seither leichter als zuvor. Älter werden hat Vorteile - das bestätigt der Computer und dem gilt mein unerschütterliches Vertrauen (wenigstens für dieses Mal).

 

Apropos unerschuetterliches Vertrauen: Im ersten Tokyo-Bericht („wenn die Welt ein Kochherd wäre“) erwähnte ich die „japanische Gesellschaftsregeln der Sitzordnung“ und dass ich bald mal näher ans Fenster zu sitzen komme, da dies ja so mein Status hier verlangt. Dabei liess ich nicht unerwähnt, dass mir die Fensterplätze nicht gerade grosse Freude bereiten - nicht wegen der Aussicht, die ist atemberaubend, sondern wegen den ständigen Erdbeben und den dadurch möglichen splitternden Fensterscheiben. Das ist aber alles falsch!!

Die Firma erweitert ja bekanntlich ihre Büros hier in Tokio und da ich für den Einkauf zuständig bin, erfahre ich natürlich immer das Neuste. Ich habe gerade den Kauf von "Bomb blast Film" mit unterschrieben. Im ersten Bericht habe ich einen falschen Eindruck hinterlassen, als ich schrieb, dass die Gefahr, nahe der Türe von einem feindlichen Samurai erschlagen zu werden, kleiner sei, als die durch berstende Scheiben verletzt zu werden. Im Falle eines Erdbebens sollten die Scheiben hier also nicht bersten, da sie extra mit diesem „Bomb blast Film“, einem Klebestoff, der einen explosionssicheren Schutzfilm enthält, beschichtet sind. Mein Arbeitsalltag hat sich nun sichtlich beruhigt, seit mir eigentlich von keiner Seite mehr Ungemach droht - jedenfalls versuch’ ich das zu glauben.

 

Apropos Glauben: Wir hatten im Juli Besuch von Moni 2 und Yves, die wir im 2004 in Südamerika kennen lernten. Da wir damals drei Wochen lang alles Mögliche und Unmögliche gemeinsam erlebt hatten, mieteten wir mit ihnen hier ein Auto und suchten auch hier das grosse Abenteuer, das ja bekanntlich gerade vor unserer Haustüre beginnt.... Diesmal suchten wir 90 Minuten lang die richtige Autobahn, welche uns aus der Stadt führen sollte. Es war fast zum Verzweifeln. Aber wie es der Zufall - oder war es Monika? - wollte, irgendwann klappte es und auf uns warteten wieder die kleinen Episoden, ohne die es hier in Japan einfach nicht geht....

Wie z.B. diese: Moni 2 sah bei einem Tankstellen-Shop ein Schild mit der Aufschrift: „Hot-Coffee“ und das weckte bei ihr Gelüste. Ich ging mit ihr in den Laden, wir schauten uns um, entdeckten aber nichts, das uns nur im Entferntesten an heissen Kaffee erinnern konnte. Moni 2 wendete sich unerschrocken an den Kassierer mit der Frage: „Do you have hot coffee?“ „Eh?“....kam’s fürs erste zurück. Nun waren wohl meine Sprachkenntnisse gefragt und ich sagte: „hotto kohi onegaishimasu“ (ja, ok, das tönt fast gleich, ist aber wirklich japanisch).

Und es zeigte auch seine Wirkung. Der Kassier deutete mit seinem Finger hinter uns. Da stand ein Schrank mit Büchsen drin, so wie überall auf dieser Welt Getränkebüchsen in Kühlregalen stehen (so einer, ohne Türen). Nun war es an uns „Eh?“ zu sagen, was ihn verstärkt zum Winken veranlasste mit der Bedeutung, dass genau dort der heisse Kaffee sei.

„Hotto“ meldete ich mich nun noch einmal ganz langsam, das musste doch auch auf dem Lande gleich heiss sein, wie in der Stadt. Nun kam der Kassierer um den Tresen herum, steuerte zielstrebig auf den Getränkekühlschrank zu, nahm die Dose auf der eine Kaffeebohne abgebildet war und uns wohl sagen wollte, dass etwas mit Kaffeebohne auch drin sein sollte und drückte sie uns in die Hand.

Vor Schreck hätten wir sie fast fallen lassen: sie war glühend heiss!! Wir konnten es nicht glauben, dass in einem Kühlschrank heisser Kaffee ist, aber eben, hier in Japan gibt es scheinbar getarnte Heizschränke...J

Beim Bezahlen wurde Moni 2 dann noch richtig poetisch: „Sayonara“, sagte sie zur Verabschiedung, was nicht wirklich auf Wiedersehen heisst, sondern mehr so als endgültiger Abschied verstanden wird: „Lebe wohl!“ Mit einem Lachen auf dem Gesicht, meinte der Kassierer dann ebenfalls „Sayonara!“

Apropos Lebe wohl: In unserem Haus „Akasaka Tameike Tower“ begrüssen uns beim Heimkommen auf unserem Stockwerk stets ein paar Aquariumsfische, die es sich - so scheint es mir - in ihrem ca. 2 Meter langen und 50 Zentimeter hohen Aquarium so richtig gut gehen lassen. Eines Tages, war das Aquarium leer, ausgeräumt bis auf den letzten Fisch! Und am folgenden Tag klebte ein A4-Papier am Glas mit der Aufschrift: (in Englisch!) „under construction July 5 to July 26”. Nun gut, es war klar, das muss wohl ab und zu getan werden, aber etwas reizte mich an diesem Schild….was wird wohl „under construction“ sein? Es kam, wie es kommen musste. Am nächsten Tag habe ich von Hand „fishes“ auf das Papier geschrieben.

Da stand nun also am Aquarium „fishes under construction“.

Man muss wissen, so etwas tut man hier in Japan einfach nicht! Es gibt hier keine Sprayereien an den Hauswänden und auch keine Tags, einfach nichts. Man drückt sich nicht auf fremden Wänden, Zügen, Plakaten etc. aus. Und als einmal ein „Shinkansen“ mit einer Graffiti entdeckt wurde, musste dieser sofort zurück in den Bahnhof, was zu einer halbstündigen Verspätung geführt hatte – kein Witz! Unverzeihlich für die japanische Eisenbahn!

Nun zurück aber zu meinen Fischen: 2 Tage später war das ‚fishes“ mit Tipp-Ex überpinselt worden. Fein säuberlich wohlverstanden. Hm, ich habe meine Lehre daraus gezogen und wusste nun, wie unziemlich ich mich hier wohl wieder einmal verhalten hatte. Aber es kam noch besser. 3 Tage später ein neues Schild: „Aquarium under construction“! Ich schwöre, ich wollte nicht belehrend sein, ich wollte bloss einen Witz machen. Aber das geht hier schon 10-mal pro Tag in der Firma nicht gut, wobei meine ersten 6 Monate bereits ihre Spuren bei meinen Kollegen hinterlassen haben und sie nun etwas vorsichtiger im Umgang mit mir geworden sind..... Stets staunen wir, wie ernst wir hier genommen werden, was immer wir auch versuchen.....

Apropos Versuchen: Momentan versuchen wir also auch den Sommer zu überleben, nach einer bereits bestens überstandenen Regenzeit mit etwa 5 Regentage im Ganzen. (Wir werden jetzt neu einen Antrag an die Schweizer Regierung stellen, unsere vier Jahreszeiten in vier Regenzeiten umzubenennen, da wir in der Schweiz ja bekanntlich mehr Regentage haben, als hier zur Regenszeit....)

„Moshobi“ – übersetzt mit „extrem heisser Tag“ – haben wir nun mehrmals in der Woche. Tage welche über 35 Grad heiss werden, heiss kombiniert mit unheimlicher Luftfeuchtigkeit und deren Nächte nicht unter 25 Grad fallen. Kein wirklicher Grund für uns zum Klagen. Gut, wenn ich in die Firma laufe, dann gehe ich etwas langsamer trotz meinem täglichen Fitnessprogramm. Und das gemeinschaftliche morgendliche Liftfahren im 45 Grad heissen Lift zu meinem Buero hinauf, erinnert mehr, an eine Gemeinschafts-Sauna, als an die letzten entspannten Momente, bevor der Arbeitstag mich hat. Eigentlich gehören diese Minuten an diesen Tagen, zu den schlimmsten Minuten, die ich in Japan bis anhin verbrachte... Das Schweisstuch, das jeder Japaner bei sich hat, und somit seit ein paar Tagen auch ich, kommt hierbei hauptsächlich zum Einsatz. Die ersten Minuten im Büro muss man sich erst mal kurz erholen.....

 

Apropos Erholen: uns wird auch heute noch, nach den ersten 6 Monate in Japan nicht langweilig, wir unternehmen sehr viel an den Wochenenden und hin und wieder abends – so viel zu erleben, wie es eben geht, ist das Motto. Die Fotos im Anhang sollen nun ihre eigenen Geschichten erzählen. Versucht doch mit den Bildern, Eure eigene Reise zu unternehmen.

 

Seit gegrüsst aus dem Bilderbuch-Land,

Daniel und Monika