Kirschblütensamen

Liebe Freunde,

Liebe Freundinnen ;-)

 

"Sakura....die Kirschblütenzeit in Japan!"

 

Im letzten Brief waren wir in Erwartung eben dieser Zeit und heute sind wir nun um eine Erfahrung und um rund 200 Fotos reicher, die wir gerne mit Euch teilen möchten! Nein, keine Angst nicht alle unsere 200 Fotos kommen nun im Anhang....

 

Wir Schweizer werden ja im Ausland eher als rational und etwas kühl angesehen und dem entsprechend freuten wir uns auf die Kirschblühtenzeit in eben diesem Stile: „ja, soll kommen - wir sind da - Film ab...."

 

Nun mal ehrlich, wir wohnen ja - wenn nicht gerade in Tokyo - in Maisprach, im schönen Oberbaselbiet, das neben vielen anderen schönen Dingen auch berühmt ist für seine schönen, ehh... guten roten Kirschen. Ja, genau! Und diese Kirschbäume blühen so ganz selbstverständlich jedes Jahr im Frühling so einfach vor sich hin und das in einer solchen Art, dass die ganze leicht hügelige Landschaft bei uns von vielen tausend weissen Tupfern überzogen ist - einmalig und so wunderschön!

 

Und noch nie ist mir dabei eine japanische oder amerikanische Reisegruppe in Maisprach begegnet, welche sich mit Fotoapparaten und/oder fototauglichen Handys diskutierend und staunend von Baum zu Baum bewegten. Hier in Japan bewegt sich aber in dieser Zeit wirklich jeder und alles nur noch von Baum zu Baum - somit auch wir!

Nun, sind wir nicht nur rational, sondern auch simpel, denn wir wussten mal noch so knapp, dass es wohl verschiedene Sorten von Kirschbäumen und Blühten geben müsste, aber mal Hand aufs Herz, wer wusste, dass Kirschblüten zwischen 5 und 100 Blütenblätter pro Knospe haben, ihre Farben von weiss über rosa, gelblich bis grün hin variieren, einige Bäume ihre Blätter vor der Blüte bekommen, andere erst danach und einige dieser Blätter in grün, andere bereits schon zu Beginn hin in braun wachsen...

Und wenn man sie übrigens pfropft, gibt’s das oben Beschriebene sogar noch in allen Kombinationen!

Es gibt etwas über 100 Arten von Kirschbäumen, welche hier in Japan blühen. Die am meisten verbreitete ist die "someiyoshino", welche von Menschenhand gezüchtet wurde und somit alle die gleiche DNA haben und somit wiederum auch alle unter den gleichen Wetterbedingungen zur gleichen Zeit blühen! (Hilfe, wir sind umzingelt von Klonen....).

 

Somit erstaunt wohl auch nicht, dass es hier im Internet und in den Zeitungen "Cherry Blossoms real time forecast" gibt.

 

 

Es war wirklich ein riesiger Stress, nichts zu verpassen!

Und so trafen sich nun alle in dieser Jahreszeit (zur gleichen Zeit am gleichen Ort!!) zum Hanami (Hana = Blume, mi = sehen) und man suchte mit der Kamera die sogenannte  "perfekte Blühte" wandernd von Baum zu Baum. Und auch wir fühlten uns häufig hin und hergerissen, zwischen "das ist sie nun, die perfekte Blühte" und dem Spruch von Edmund Burke: "it is the nature of greatness, not to be exact".

  

Genug der Worte, es mögen im Anhang die Bilder sprechen (aus der Sicht von Schweizern...)

Und was tun wir sonst noch so?

 

Eingezogen in unsere permanente Wohnung sind wir ja nun schon vor einer Weile.

 

Mit unseren weiterhin emsigen Flohmarktbesuchen (fast jeden Sonntag unter dem Vorwand, wir gehen einen Schrein anschauen (Flohmärkte sind ja bekanntlich immer an einem Schrein)), stellen wir sicher, dass unsere Wohnung einen leichten Japan-touch bekommt, was vor allem unseren Japanisch-Lehrerinnen (jeder von uns hat seine eigene) sehr gefällt und unsere Lektionen auch beeinflusst. Ich habe das Gefühl, ich habe mit meiner Lehrerin (Yamamoto-san) schon 'zig-mal "Flohmarkt' geübt.

Sie kommt jeweils um 7.30 oder um 8 Uhr morgens und meine Verhandlungs-un-fähigkeiten schreibe ich jeweils dieser frühen Uhrzeit zu. Denn wenn sie den Preis von irgendetwas sagt, dann kauf' ich sofort und dabei sollte ich doch jeweils für mindestens 5min. den Preis mit allen Zahlen, die ich mir merken konnte, herunter-handeln...


Unser Bed-and-Breakfast läuft und läuft. "Unser" ist zwar falsch - Monika-san wollte ja mal vor unserer Weltreise ein eigenes Hotel haben, was ich Gott-sei-Dank damals abwenden konnte, danach meinte Sie, "ein Bed-and-Breakfast wäre doch auch etwas" - nun hat sie eines! Wir sind nun seit knapp 100 Tagen in Japan und hatten bereits schon 7 Freunde hier. Ja, für eine Hotelbelegungsrate wäre das wohl jetzt das Ende, doch für unser einziges Gästezimmer in unserer Wohnung heisst das immerhin: von 8 Wochen war es bereits 6 Wochen besetzt..... ! Es macht riesigen Spass, ich denke, allen Beteiligten. Monika saust überall herum mit unseren Freunden (in und ausserhalb von Tokyo) und ich freue mich auf die schönen gemeinsamen Abende. Meistens gibt es sehr viel zu erzählen und das fängt bereits schon in der Küche beim Kochen an, wo man sich mit einem Bier oder einem Glas Wein in der Hand ein Stelldichein gibt und mir beim Kochen zusieht. Wenn ich dann mal einen ganzen Fisch ausnehme (nein, nicht einen selber Gefangenen, noch arbeite ich bei der CS) dann leert sich auch mal die Küche schnell, doch findet sich alle immer wieder am Tische....

Hier übrigens eine kurze Entschuldigung von Monika-san an Alle, welche ihr in letzter Zeit ein Mail geschickt haben und noch keine Antwort erhalten haben..."Sie war etwas busy....;-)...hat Euch aber nicht vergessen!!"


Die diesmalig komische Geschichte, die ich Euch noch zum Abschluss erzählen möchte, sind eigentlich deren 3 und betreffen alle das Thema Zeitung:

 

1) Wir haben hier in Tokyo die "The Japan Times" abonniert, welche an 7 Tagen in der Woche ins Haus geschickt wird. Genial ist, dass sie in den Wohnungsbriefkasten im 25. Stock geliefert wird und nicht in den Briefkasten unten in der Rezeption-Halle... Letzten Sonntag stand dann relativ gross auf der Frontseite folgender Text:  "Am Montag wird keine Zeitung ausgeliefert, weil zeitungsfreier Tag ist. Dies wird in regelmässigen Abständen gemacht, damit die Zeitungsboten auch einmal einen freien Tag haben".  Das ist eine typisch japanische Art, Probleme zu lösen. Wir fragen uns nun nur, wie die Drucker und alle anderen Mitarbeiter dieser 7-Tage-Wochenzeitung zu ihren Freitagen kommen. Wir warten, wer als nächster frei bekommt und verzichten gerne auf unsere Zeitung an diesem Tag....


2) Vor der "The Japan Times" hatten wir die "Daily-Yomiuri" für 4 Wochen im Probe-Abo. Ab der zweiten Woche klingelte es bei uns an der Tür an jedem zweiten Tag. Ein junger Mann mit Helm (wir haben Video um visuell überprüfen zu können, ob unsere Besucher auch in friedlicher Absicht kommen) sagte jedes Mal in Kamera und Mikrofon "Daily Yomiuri" und dann noch mindestens 10 japanische Sätze. Im Standard-Ausschlussverfahren von Worten, welche wir nicht oder noch nicht können, blieb lediglich noch soviel übrig, dass uns klar war, der Junge will Geld.

 

Nun wird hier zwar das Zeitungsabonnement einmal im Monat bei einem solchen "Geldeintreiber" bezahlt, doch hatten wir aber ja ein Probeabo! Gratis wohlverstanden! Somit waren wir also nicht einverstanden mit ihm.... Es ist übrigens unglaublich, was so ein "hallo, Daily Yomiuri" (ausgesprochen "haloooooo, daily Yomiuuuuri") jeden zweiten Tag an Nerven kosten kann, wenn man das nicht abschalten kann. Heute warten wir mit Freude auf ein "halooooo, the Japaneeeeeeese-Times" und wir haben das Geld auch schon bereit gelegt in der Hoffnung wir kommen rechtzeitig die 25 Stockwerke runter....

 

3) Es gibt in beiden oben erwähnten Zeitungen immer wieder Artikel, die einem zum Staunen, Lachen, Kopfschütteln, etc. bringen doch "Cherry tree seeds to be delivered to space...".. war mit Sicherheit die schönste Headline, die wir bis anhin gelesen haben (erschienen am 24. April - somit kein Aprilscherz!). Hierbei gings um einen 13 Meter hohen, mindestens 1'000 Jahre alten Kirschbaum, den - und nun halte man sich fest - 300'000 Menschen in der hiesigen Blütezeit besucht haben. Der Baum hat natürlich einen Namen: er heisst Takizakura....Jedenfalls gibt's jetzt ein Projekt das vorsieht, dass im Oktober Samen von 10 Kirschbäumen - unter anderem jene vom Takizakura -  zur Kibo-Station (Internationalen Space Station) geschickt werden. Mehrere Gründe gibt's sicherlich hierfür, doch der Schönste ist sicher jener: "wir wollen, dass die Kirschblütensamen für uns ins All reisen, da nur wenige von uns dorthin können..." - das muss man sich mal ganz langsam durch den Kopf gehen lassen.....wunderbar......


So, ich soll ja kein Buch schreiben, sondern nur einen weiteren Bericht und deshalb schliessen wir hier mal das Kapitel.

 

Im nächsten Bericht gehen wir auf Reisen: Wir werden mit Freunden aus Maisprach einen Wagen mieten und eine Rundreise durch die Japanischen Alpen wagen. Hierzu hat Monika-san extra das Alphabet (Hiragana und Katakana) gelernt, damit wir unterwegs auch etwas lesen können, respektive damit wir nicht im Kreise fahren!

 

Mit den besten Grüssen,

 

Daniel & Monika