Nordamerikas westen Brief

16. August 2004

Montag, 16. August 2004

 

Jägerlatein

 

 

Liebe Freunde, 


88 Tage sind wir nun unterwegs und in 2 Tagen fliegen wir von L.A. nach Hawaii.


Wir wohnen für ein paar Tage bei unseren Gottechinder, die mit ihren Eltern im Juni von der Schweiz - dank Arbeitgeber und einer gehörigen Portion Mut der Eltern nach L.A. gezogen sind..! So kommen wir ohne schlechtes Gewissen in den Genuss von Hollywood-Studios und Sandburgenbauen - das ist fun pur!!


Unsere Rundreise durch den Westen von Amerika hat uns über 15'000km durch wunderbare Welten geführt und - fast immer auch ohne Schwierigkeiten. Wie ich im Mail über Südamerika, geschrieben in der Wüste Nevadas, schon angetönt hatte, blieben wir schon am dritten Tag mit unserem Camper im Sand stecken! Was uns in der Wahiba Wüste von Oman letztes Jahr erspart geblieben war, passierte uns hier....


Dazu braucht es nicht mehr als "soft shoulders" und einen unerfahrenen RV-Driver (Recreational Vehicel), der für einen Fotostop an den Strassenrand in eben diesen Sand fährt...Der Camper mit über 6,3m Länge und 3,5 Tonnen war auch mit dem guten 3500er Dodge Motor nicht mehr zu retten. Aber dafür war es auch eine der ersten (positiven) Erfahrung mit Amerikanern. Denn ein uns entgegenkommender Pick-up kehrte sofort, der Ami, der raussprang, verschwand kurz unter unserem Auto, das Seil, das er spannte, stöhnte unter der enormen Last, als er uns damit wieder auf festen Boden zog und wir waren wieder "on the road". "Welcome in the wonder valley", meinte er grinsend und verschwand und drei Minuten später sahen wir das Schild am Highway " Leaving wonder valley"! 


Bevor ich über die Route und unser Leben hier schreibe, möchte ich Euch "Daheimgebliebenen" und Euch neuen "Reisebekannten" danken! Wir sind überwältigt von den vielen Mails, die wir von so vielen von Euch so regelmässig erhalten! Es freut uns, so viele Geschichten von Euch zu lesen, auch die ganz alltäglichen, die das Leben so schreibt!


Das Mail, als einziges Medium für uns, hat zwar auch seine Tücken. Wir loggen uns in Cafés für eine halbe Stunde oder eine ganze Stunde ein, lesen, schreiben und versuchen möglichst vielen zu Antworten, aber die Minuten ticken unablässig.


Und dann sind wir wieder für Tage unerreichbar, irgendwo in der Pampa, mit dem schlechten Gewissen, nicht allen geantwortet zu haben. Aber wir werden auch weiterhin versuchen jedes einzelne Mail zu beantworten, wenn auch mal nur kurz: also weiter so, denn für uns ist es ein wenig wie Weihnachten, wenn wir ein Mail öffnen dürfen...! 


Nun zur unserer Reise:

Die Route: Von Los Angeles nach Palm Springs, Hidden Valley, Joshua Tree (National Parc), Las Vegas, Hoover Dam, Grand Canyon (NP), Antelope Canyon, Monument Valley (NP), Mesa Verde (NP), Moab, Canyon Lands (NP), Capitol Reef (NP), Kodachrome Basin, Bryce Canyon (NP), Zion (NP), Salt Lake City, Antelope Island, Grand Titon (NP), Yellowstone (NP), Cody, Polson, Glacier (NP), dann nach Kanada, Waterton (NP), Banff, Atabasca Glacier, Jasper, Whistler, Vancouver, Vancouver Island (von Telegraph Cove im Norden bis Victoria im Süden), wieder in die USA, Port Angeles, Olympic (NP), Seattle, Mount Rainier (NP), Mount St.Helena (NP),zurück an die Küste, Fort Stevenson (NP), Humbug Mountain (Stat.Parc), Redwoods, Napa Valley, San Franciso, Columbia, Sonora Pass, Mono Lake, Yosemite (NP), Kings Canyon (NP), Sequoia (NP), an die Küste zum Highway 1 zurück und von Monterey der Küste nach bis Los Angeles.


Den National Parcs und den State Parcs haben wir dabei die meiste Aufmerksamkeit geschenkt. Die Natur hier im Westen ist innert zum Teil nur wenigen Meilen unheimlich abwechslungsreich! Wenn's einen Lieblingspark für uns gegeben hat, dann vielleicht den Brice Canyon, wo wir uns zu meinem 40. Geburtstag einen Sonnenaufgang gegönnt hatten - ganz ohne Budgetbelastung...

 

Das Total der gefahrenen Meilen auf 61 Tage verteilt (pro Tag ca. 250km) fährt sich ohne Stress und lässt Zeit, um die eine oder andere Wanderung in den National Parks zu machen. Wir waren erstaunt, wieviel direkt vom Camper aus gesehen werden kann. Um Tiere zu beobachten, müssen wir ja bei uns (z.B. im Nat. Park am Ofenpass) doch eine rechte Wanderung machen. Hier haben wir soviel Wild beobachtet, dass wir eine Liste davon erstellt haben. 


Hier nur ein paar Auszüge: Coyoten 3, Bären Schwarz 3, Grizzly 4, Wolf 1, Bisons hunderte, Rehe hunderte, Hirsche - mit Geweihen, wie es sie bei uns nicht gibt - 6, Klapperschlange 1, Kiefernatter 1, Schwarznatter 1, Orcas 7, Schweinswale 2! 


Dies nur Auszugshalber und echt wahr! Kein Jägerlatein, wir haben alles gefilmt! Das Jägerlatein ist übrigens hier unbekannt. Das ist das Land der Superlativen, da bedarf es keiner Übertreibungen. It's the greatest country, with the best food and the smartest people, and so on.....!

 

Nun, bei aller Sachlichkeit, wir haben es auch anders erlebt, als es die Amerikaner gerne sehen und "verkaufen". Armut gibt's hier auf Schritt und Tritt, alte Menschen arbeiten im Pensionsalter, weil's hinten und vorne nicht zum Leben reicht. Das Durchschnittsgewicht eines Amis ist nur in den Nobelquartieren von L.A. und San Francisco im ungefährlichen Bereich und scheint mit den Aussenbezirken zuzunehmen. In Kalifornien hat "Ernie" (Gov. Schwarzenegger) in allen Stateparcs ab 1. Juli die Preise verdoppelt, was wiederum die campende Mittelschicht mit den momentan hohen Benzinpreisen zusätzlich ins Schwitzen bringt! Die Gallone kostet zur Zeit $2.20 bis $3.50. Es war auch schon einmal nur halbsoviel.

 

Was das heisst, hat uns im Zionparc ein älteres Couple erklärt, das ihren Camper gleich neben unserem geparkt hatte und den wir natürlich besichtigen durften. Man nehme ein Recreational Vehicel von 35 Fuss Länge (rund 11 Meter), hänge einen Jeep Grand Cheerokee hinten an (dieser Teil hat natürlich mir als Jeepfahrer Eindruck gemacht hat) und verfahre so um die 35-38 Liter Benzin pro 100 km ....! Das führt nun dazu, dass so ein Camper (satte $200'000.- Wert) ab und zu bei Walmart (grosses Einkaufszentrum) über Nacht gratis auf deren Parkplatz steht, weil man sich die zum Teil bis $50.- Campplatz Gebühren nicht mehr leisten kann......und den Winter über in der Wüste auf Staatsland steht, das auch gratis den "retired Campers" zur Verfügung gestellt wird.


Alles im Griff? Keines wegs! 


Aber wir hatten auch 'zig wunderschöne Abende auf zum Teil gewaltigen Campplätzen in USA und Canada. (Monika hatte damit ja schon ihre Erfahrung gemacht, ich meine erst jetzt). Mal waren wir bei einer Mormonenfamilie zum Frühstück eingeladen (ohne Kaffee, das gehört sich nicht), hatten mehrmals Deutsche Touristen zum "after Dinner wine", haben in Victoria mit einem Fregattenkapitän und Gemahlin über Politik, die Welt und Golf diskutiert, bis wir kalte Füsse bekamen (nicht der Politik wegen, sondern nach Mitternacht wirds kalt!), usw.

Auf den Campingplätzen trifft sich eben die Welt - vom Zelt bis eben zu den 35 Fuss langen Luxus RV's. 


"There is hope on the way" - ein Thema, welchem wir auf unserer Reise viel Beachtung geschenkt haben. John Edwards Worte, gesprochen in Boston auf dem Convention ende Juli, scheint viele Amerikaner begeistert zu haben. Die Kluft zwischen Republikanern und Demokraten wird bis zum 2. November die Amerikaner wohl noch mehr spalten, da beide Teile ihre absoluten Grundwerte gefährdet sehen. Die Stickers an den Autos favorisieren Kerry, die wöchentlichen Polls sehen eher Bush als Sieger. Wenn man die Art sieht, wie Politik hier zum Teil auf "Nonsens" reduziert wird, kann's einem Angst und Bange werden. 


Im Gespräch mit den Menschen hier, wird Europa zwar mystifiziert – Superlative dürfen auch für nicht amerikanisches verwendet werden - aber der Durchschnitt denkt nur an "sein" Amerika, los gekoppelt von der Welt. "Good bless Amerika" - Stickers an den Autos und auch Fahnen, wie bei Diplomatenwagen bei einem Empfang, haben eine solche Penetranz entwickelt, dass wir uns in Salt Lake City eine Schweizer Fahne gekauft haben, und sie ebenfalls an unser Auto montiert haben....


Der Nationalstolz hat hier seit dem 11. September ungeheuer zugenommen, berichten uns fast alle.


Unser Bericht kann unmöglich allem Erlebten gerecht werden. Viele Leute fragen uns, wie wir das verdauen können - und zurecht. Einerseits schreibt Monika täglich ihr Tagebuch über unsere Reise, anderseits habe ich in Canada ein Koch- und Gartenbuch angefangen zu schreiben, damit sich mein kulinarischer Horizont der Reise entsprechend bewegt - wenn auch in USA das Kochen zu meinem täglichen Job gehört hat und wir nicht viele externe kulinarische Höhepunkte erlebt haben. 


Zu den Jobs überhaupt, kann gesagt werden, dass alles schön aufgeteilt ist und eine gute Planung und eine fast schon perfekte Kommunikation haben uns auch in den wenigen Stressituationen ideal weitergebracht.


Monika führt die Buchhaltung, wo auch keine einzige "USA-Today" für 50 Cents vergessen wird (muss ich einfach haben), damit die Budgetkontrolle auch der Wahrheit entspricht. Der Umrechnungskurs wird monatlich von beiden festgelegt und klar auf die sichere Seite gerundet. Für Visaabrechnungen stehen wir mit den Banken monatlich in Verbindung und prüfen, wer von uns wieviel verlangt hat - und freuen uns über stetig bessere Umrechnungskurse...!


Kochen, wie gesagt, liegt bei mir. Anfangs habe ich für 6 Dollar Holz verfeuert, um zwei Steaks für 4 Dollar zu grillieren...;


Tägliche Reiseplanung liegt bei Monika, das Fahren wiederum bei mir. Ein Beispiel: Als bei 110 Stundenkilometer auf dem Freeway dem Lastwagen vor uns ein Reifen geplatzt war, fuhr ich ohne das Lenkrad zu verreissen gerade in den Reifen hinein.... (Nach meiner Erfahrung mit dem Wildschwein in Maisprach handelnd) Dem Jeep damals in Maisprach hatte es ja nichts getan...also versuchte ich das mit dem Camper genauso, es blieb eigentlich auch nichts anderes übrig.


Es ging! - und damit auch 80 Liter Abwasser (wir rissen dabei nämlich den Ablauf-stutzen des Dreckwassers an unserem Camper ab)...Das brachte uns ein Nachmittag in einer Reparaturwerkstätte für $140.- und die gratis Besichtigung von allen möglichen Campern, die dort verkauft werden.


Dass wir kein Tagesbudget von $140.- haben, muss ich wohl nicht erwähnen, aber das hätte ja auch noch schlimmer ausgehen können und meine Grillfeuer wurden ja auch immer kleiner. 


So, Detailangaben oder Tipps "where to go and what to see" für die, welche Interesse haben, können einzeln mit uns via Email besprochen werden. Es sprengt jeglichen Rahmen, auf jeden Tag einzugehen.


Wir wünschen allen eine gute Zeit!


Die Reisenden, Monika und Daniel